Dieser Blogbeitrag ist gleichzeitig die Nachlese des Workshops “Das Wesen des Geldes” für Society 4.0 Deutschland 1.

Da das Wesen des Geldes sehr vielgestaltig ist, konnten wir im ersten Schritt nur einige Aspekte dieses weiten Feldes in den Blick nehmen. Und dies auch nur rudimentär. Es wird spannend sein in der Zukunft einzelne Aspekte des Geldbegriffs näher anzuschauen und ein gemeinsames Verständnis zu erarbeiten.

Für mich ergibt sich aus dem bewussten Analysieren der verschiedenen Aspekte ein großes Potential. Denn je besser wir unser Denken über Geld und die daraus folgenden Handlungen erkennen, desto mehr können wir unseren Umgang mit Geld im Alltag lebensdienlich gestalten.

Nachfolgend will ich gerne eine groben Überblick über die wesentlichen Begrifflichkeiten geben und zu einer kontinuierlichen Betrachtung einladen.

Das Wesen des Geldes Version 1.0

Der Titel “Das Wesen des Geldes” eröffnet einen sehr umfassenden Begriffsraum, der in einem Artikel nur angerissen werden kann. Daher versuche ich mich im ersten Schritt auf einige Hauptaussagen zu konzentrieren. In meiner Wahrnehmung gibt es natürlich noch eine ganze Reihe anderer Dimensionen des Geldbegriffs, die zum tieferen Verständnis notwendig, aber am Anfang wahrscheinlich überfordernd sind.

Der Begriff GELD an und für sich ist für das Alltagsverständnis zu unspezifisch

  • Denn Geld ist ein Oberbegriff für alles was als Zahlungsmittel akzeptiert wird 2
  • Eine Währung ist im weiteren Sinne die Verfassung und Ordnung des gesamten Geldwesens eines Staates 3 und damit Teil des Geldbegriffs
  • Der € in Form von Banknoten und Münzen ist das durch die Bundesbank herausgegebene gesetzliche Zahlungsmittel mit einer (teils zahlenmäßig) beschränkten Annahmepflicht
  • Giralgeld ist im ersten Schritt nur ein privat geschöpfter Kredit (credere = „glauben, vertrauen“) der auf scheinbar wundersame Weise zu € (Staatswährung) werden kann.

Diese Liste ließe sich sicher lange mit existierenden Begriffen fortsetzen. Und dann gibt es ja auch noch den Bereich in dem wir vielleicht noch keine treffenden Begriffe gefunden haben.

Mir geht es an dieser Stelle nicht um Vollständigkeit, sondern in erster Linie darum ein Bewusstsein für die unklare Begriffssituation zu wecken. Daher unterteile ich im Moment den Geldbegriff in drei grobe Bereiche.

Für mich wird an einer kleinen Geschichte deutlich, was ich damit aussagen will: Jeder Handwerker würde uns staunend anschauen, wenn wir ihn Bitten würden uns “Das Werkzeug” zu geben. Der Begriff Werkzeug ist ein Kategorie, die im Alltagsgebrauch nicht aussagekräftig genug ist.

Die detailliertere Begriffsbestimmung der Kategorie Geld ist meiner Wahrnehmung nach nur rudimentär begonnen.

1. Um das Wesen des Geldes umfassender zu verstehen, ist es hilfreich zu Wissen was “Nicht Geld” ist

Dr. Eva Maria Hubert’s Begriff “Sozialtechnik Geld” 4 war in meiner Forschung der erste Hinweis auf einen Bereich den ich heute eher mit dem Begriff “Soziale Praktiken” oder vielleicht besser “Soziale Wirtschaftspraktiken” fassen würde. Dieser Bereich war in der frühen Menschheitsgeschichte der Dominierende. In einem Teilbereich der sozialen Praktiken gibt es kein Geldbewusstsein 5 und vor allem keinen “extrinsischen Bewertungsmaßstab” in dem der Austausch bewertet werden könnte. Dieser Bereich existiert heute teilweise noch im familiären oder auch dörflichen Zusammenhang, wird aber in meiner Wahrnehmung immer weiter monetarisiert.

Im Laufe der Evolution des Geldes als gesellschaftsprägendes Element haben sich aus den aufwendigen sozialen Praktiken, die in vormonetären Zeiten notwendig waren um wirtschaftlichen Austausch zwischen Gemeinschaften zu ermöglichen, immer effizientere Austauschmittel entwickelt. Diese Effizienz hat im wesentlichen dazu beigetragen, das sich unsere globale Weltwirtschaft in der Art entwickelt hat, wie wir sie heute vorfinden.

Dabei sind uns als Menschheit der persönliche soziale Zusammenhalt und die dafür notwendigen sozialen Prozesse mehr und mehr aus dem Blick geraten. In der frühen Geschichte der Menschheit fanden wirtschaftliche Aktivitäten fast ausschließlich zwischen Gemeinschaften statt. Dabei waren Besuche und Gegenbesuche, ritualisierte Feste und Prozedere ein wesentlicher Bestandteil des Austauschprozesses. Wie Marcel Mauss 6 in meiner Wahrnehmung unter dem Begriff “Gabe” herausgearbeitet hat, gab es eine lange Zeit kein individualisiertes Wirtschaften zwischen Einzelpersonen und ein viel komplexeres Verständnis von den verschiedenen Impulsen und Ritualen, die in den Alltag des Miteinander Wirtschaftens eingewebt waren.

Diese Sozialen Wirtschaftspraktiken, die ein grundlegendes Vertrauensverhältnis voraussetzen und in denen es keine direkte Umrechnung in einen Geldwert gibt, bezeichne ich aktuell als “Nicht - Geld”, um es mit einem prägnanten Begriff von den anderen Bereichen abgrenzen zu können.


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2. Innerhalb der Geld Hemisphäre gibt es immer noch etwas das gilt: GELT

Die Schwierigkeit, die auch für mich fast zwei Jahrzehnte bestand, ist zu erkennen, dass es innerhalb unseres Verständnisses vom Begriff Geld eine Vermischung gibt, die namentlich nicht erfasst ist. Wenn wir aus unserem Alltagsverständnis über Geld sprechen, dann meinen wir fast immer folgendes:

In unserer arbeitsteiligen Welt sind wir darauf angewiesen, das jemand anderes die Dinge herstellt oder zur Verfügung stellt, die ich selbst nicht mehr herstellen kann. So ist Geld, aus diesem Zusammenhang betrachtet, grob gesprochen, mein Anteil am Sozialprodukt unserer Gesellschaft.

Für die Nutzung unseres Geldes in diesem Zusammenhang ist es zwingend erforderlich, das der getroffenen Vereinbarung auch GELTUNG verschafft wird. Früher gab es zum Beispiel den Schuldturm, um sichtbar zu machen, wer sich nicht an bestimmte Vereinbarungen gehalten hat.

Hilfreich finde ich an dieser Stelle den englischen Begriff Mutual Credit 7 , der die Grundlage der LETS - Systeme 8 bildet. Mutual Credit bedeutet übersetzt “Gegenseitiges Vertrauen”. Im Grundsatz entsteht in diesen Systemen eigentlich kein GELD, sondern ein Netzwerk aus gegenseitigen Vertrauensbekundungen, die in Leistungsversprechen ausgedrückt werden können. Dieser grundlegende Unterschied wurde in Deutschland in meiner Wahrnehmung in vielen Tauschringen quasi übersehen und durch den antiquierten Geldbegriff überdeckt.

Damit wurde die transformatorische Kraft dieser Grundidee in Deutschland nicht wirklich genutzt. Natürlich gibt es auch noch andere Gründe für das Scheitern der “Tauschringbewegung” 9 , für mich ist es jedoch der Hauptgrund für die immer wiederkehrende Stagnation und Auflösung von anfangs prosperierenden Tauschinitiativen.

Für mich ist es wesentlich für die Zukunft unserer Gesellschaften - damit auch für unsere Lebensgemeinschaft mit Mutter Erde und dem Universum - diese Erkenntnis ins Alltagsbewusstsein zu heben. Denn in meiner Wahrnehmung ergeben sich fast all unsere Probleme aus der dissoziativen Trennung die unser Verständnis von GELD mit sich bringt!


Literatur

3. Der große Urwald GELD

Mir persönlich helfen Visualisierungen oft einen Zusammenhang deutlicher wahrzunehmen. In einer Zeichnung können Beziehungen zwischen verschiedenen Begriffen und Themenbereichen viel intuitiver erfasst werden. So stelle ich dieser dritten Aussage eine meiner ersten Skizzen zur Erkundung des Begriffsraums GELD 10 voran.

In meiner Wahrnehmung ist es uns Menschen alleine gar nicht mehr möglich die vielfältigen Ausprägungen des GELDES zu überblicken. Für mich ist es die große Gemeinschaftsaufgabe unserer Zeit 11 in miteinander vernetzten Gruppen die verschiedenen Dimensionen des Geldbegriffs zu erkunden und uns gegenseitig dabei zu unterstützen die destruktiven Wirkweisen des GELDdenkens von den Konstruktiven zu unterscheiden.

Dieses Themenfeld ist sehr unübersichtlich und kaum noch zu überschauen. Daher möchte ich an dieser Stelle nur ein paar Fragen herausgreifen, die mir für die Entwicklung unseres Alltagsbewusstseins über den GELD - Begriff wesentlich erscheinen:

Wofür steht GELD in unserer Gesellschaft?

  • Geld bedeutet Freiheit (?)
  • Geld bedeutet Sicherheit (?)
  • Geld bedeutet Gestaltungsmacht (?)

Wie wird GELD geschöpft und wem gehört es?

  • Geld ist eigentlich eine öffentliche Einrichtung, die aber tatsächlich Privat geschöpft und auch Privat “besessen” werden kann 12
  • Geld kann mittlerweile von Privatbanken zuerst als Kredit aus dem Nichts geschöpft und dann in unsere Staatswährung Euro “umgewandelt” werden

Wodurch ist Geld gedeckt?

  • durch unseren Souverän
  • durch Materie (Gold, Immobilien,etc.)
  • durch Schuld
  • Teilweise eben durch nichts mehr. Geld kann mittlerweile aus GELD geschöpft werden. Für mich leben wir nicht mehr im Kapitalismus, sondern im Geldismus 13 14

Welche Funktionen erfüllt Geld heute wirklich?

  • Tauschmittel
  • Rechenmittel
  • Wertaufbewahrungsmittel
  • Disziplinierungsmittel
  • Machtmittel
  • Spekulationsmittel
  • Dissoziationsmittel

Warum darf GELD nicht transparent sein?

  • In meiner Wahrnehmung dient die viel beschworene “Anonymität” des Geldes nur denen, die damit nicht mehr gemeinschaftsdienlich umgehen
  • Faszinierend: Mittlerweile ist fast jeder Mensch in der digitalen Welt fast schon gläsern und es scheint die wenigsten zu stören. Dabei wird die Aussage “Geld muss Anonym sein” überhaupt nicht in Frage gestellt, obwohl sie fast schon lebensbedrohliche Auswirkungen auf unsere Weltgemeinschaft hat.

Für mich wird alleine an diesen Fragen schon deutlich, wie wenig wir eigentlich als Gesellschaft über das GELD wissen. Und ich bin mir sicher, das ich hier gerade erst mal an der Oberfläche des Begriffsraums GELD kratze.

Es wird spannend - und hoffentlich auch hilfreich - sein, welche Erkenntnisse und Verhaltensänderungen der immer mehr Fahrt aufnehmende Bewusstseinsprozess in diesem Themenkomplex bewirken wird.

Was ist nun das Wesen des Geldes für mich?

Geld war und ist in erster Linie ein Informationsbündel das wir mit unserem Denken in eine bestimmte Richtung prägen. Es ist sozusagen ein Spiegel unseres Bewusstseins. Solange wir gesamtgesellschaftlich glauben und denken, Geld sei Neutral, überlassen wir die dem Geld innewohnende Gestaltungsmacht einzelnen Akteuren.

Für eine lebenswerte Zukunft ist es aus meiner Sicht essentiell gemeinsam eine lebensdienliche Intention für die Sozialtechnik Geld zu formulieren. Sobald diese Intention deutlich wird und in unser Alltagsbewusstsein integriert ist, kann jeder Mensch bei jedem Kontakt mit GELD - in welcher Form auch immer - diesem Geld die “neue” Intention aufprägen.


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Fußnoten