Dieser Artikel ist zuerst in meinem Buch Faszination Tauschring erschienen. Die Übersicht dazu in chronologischer Reihenfolge befindet sich hier.


Eigentlich schien mir die Arbeit nach den beiden vorigen Beiträgen schon getan. Denn wenn es ja offensichtlich - zumindest aus meiner Sicht - gar keine Tauschringe gibt und zusätzlich die Intentionen völlig unklar sind, was bleibt dann zu sagen?

Das Gefühl bei dieser Frage kommt mir doch sehr bekannt vor. Denn wie schrieb ich schon im März 2016 in der letzten Ausgabe des Tauschmagazins:

Die Vorstellung, meine gesammeltes Wissen und meine Erfahrung könnten auf einmal wertlos sein, hat mich in meinen Grundfesten erschüttert.

Dieses Gefühl beschleicht mich gerade wieder. Gestern habe ich ohne Ende Skizzen für Beiträge vernichtet.

Denn Sie bezogen sich auf etwas, das schon vergangen ist oder sich gerade in der Auflösung befindet.

Doch wenn ich mich dieser Leere hingebe und erinnere, das zum Beispiel in der Natur nichts wirklich verschwindet sondern nur zu Kompost transformiert wird, schöpfe ich neue Schaffenskraft.

Wenn ich nun das Vergangene wirklich loslasse und mich zuerst einmal auf das Finden meiner Intentionen und meiner Begriffe einlasse, kann vielleicht etwas Neues aus dem Alten entstehen.

Ich muss zugeben dass auch ich am Anfang meiner persönlichen “Tausch-Geschichte” meine Intentionen nicht klar hatte.

Ich bin erst im Laufe der Jahre durch fortwährendes Scheitern darauf gestoßen worden immer wieder meine eigene Motivation zu hinterfragen.

Mittlerweile würde ich meine Hauptintention als die Suche nach einer nachhaltigen, menschlichen Gemeinschaft beschreiben.

Schon früh bin ich auf das Buch “Individuelle Solidar-Kreise-Entwurf einer alternativen Gesellschaftsform” von Beate Stricker aufmerksam geworden. Leider ist dieses Buch nicht mehr erhältlich.

Mir gefällt, dass Sie von Kreisen spricht und nicht von Ringen. Denn ein Kreis umschließt alles was in ihm enthalten ist. Bei einem Ring besteht jedoch nur kurzzeitiger Kontakt zwischen einzelnen Individuen. Noch besser gefällt mir der Begriff Gemeinschaft, da ich mich in einem Kreis auch zufällig befinden kann.

Zum Eintritt in eine Gemeinschaft bedarf es - nach meinem Empfinden - einer bewussten Entscheidung.

Und bevor man dieser Gemeinschaft beitritt, bedarf es einer möglichst klaren Beschreibung “Gemeinschaftsintention”.

Denn erst wenn sich diese Gemeinschaft mit Ihren Normen und Regeln klar positioniert, kann ich überhaupt entscheiden, ob diese Gemeinschaft für mich die Richtige ist.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch meine wechselvolle Lebensgeschichte. Denn in jungen Jahren - bis ich mit 30 sesshaft wurde - bewegte ich mich intuitiv sehr oft außerhalb jedweder Gemeinschaft.

Als weichlicher Junge - früher hieß das wohl Heulsuse - hielt ich mich schon alleine aus Selbstschutz immer außerhalb der Junges-Gemeinschaft auf.

Nur so konnte ich meine Sensitive Persönlichkeit schützen. Als weichlicher Erwachsener floh ich so oft ich konnte die “Männergemeinschaft”, die mir ob Ihrer vordergründigen Rabiatheit und Schein-Männlichkeit auch heute noch unbegreiflich erscheint.

Nach kurzen Phasen des Geldverdienens auf Maschinenbaumontage reiste ich ruhelos an die unmöglichsten Plätze dieser Welt ohne genau zu wissen nach was ich suchte. Ich wollte nur weg aus Deutschland, raus aus der kleinbürgerlichen Enge und hoffte irgendwo einen Ort zu finden zu dem ich gehöre.

Ich habe unglaublich schöne Plätze und Naturschauspiele gesehen, ich habe mich an den schillerndsten Farben berauscht, die wundersamsten Tiere gesehen und dennoch war ich immer ein Fremder, reiste oft wochenlang ohne ein Wort in meiner Muttersprache zu hören, ja sogar manchmal Tagelang ohne überhaupt ein einziges Wort zu sprechen.

Es war ein Leben fern jeglicher Gemeinschaft, am Anfang aufregend und voller Abenteuer, doch wohin ich auch reiste, ich konnte nirgends ankommen. Immer fehlte etwas.

Und dann eines Tages - ich war gerade mit einem Motorrad auf der Trauminsel Bali unterwegs - passierte etwas mit dem ich niemals gerechnet hätte.

Ich hatte urplötzlich eine unbändige Sehnsucht. Mitten im schönsten Paradies hatte ich plötzlich keinen größeren Wunsch als einen Tannenwald im Morgentau zu riechen. Dieser unverwechselbare Geruch den ich in meiner Jugend im Münsterland so oft gerochen hatte.

Ich weiß nicht mehr wie viele Jahre ich da schon auf der Suche war, niemals hatte ich solch ein starkes Gefühl von Zugehörigkeit, ja von Heimat empfunden.

So kam ich also mit dreißig Jahren nach Münster in Westfalen und wurde sesshaft. Ich stieg in eine Unternehmergemeinschaft ein und glaubte nun den richtigen Weg gefunden zu haben.

Doch leider hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Meine Unternehmergemeinschaft, in die ich so gutgläubig eingestiegen war, entpuppte sich nach einigen Jahren als richtig gehende Katastrophe.

Ich hätte auf die Warnung meines Vaters hören sollen. “Bei Geld hört die Freundschaft auf!!" hatte er mich beschworen und mich dennoch finanziell unterstützt.

Am Ende hat mich diese Gemeinschaftserfahrung gute 100.000 DM gekostet an denen ich die nächsten 15 Jahre zu knabbern hatte. Aber ich will mich nicht beklagen.

Eine kleinere Katastrophe hätte mich womöglich viel länger leiden lassen. Bei diesem Ausmaß jedoch war die Lehre daraus sehr tiefgreifend.

“Schau Dir genau an mit wem Du Dich einläßt, mit wem Du eine Gemeinschaft eingehst."

Meine nächste Gemeinschaftserfahrung war die Übernahme eines Konkursunternehmens. Als alleiniger Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter , so dachte ich, werde ich die Sache mit meinem kaufmännischen Geschick und meinem Organisationstalent schon ins Rollen bringen.

Meinem Sinn für Gemeinschaft folgend, beteiligte ich die Belegschaft am Unternehmen. Ich glaubte damals noch dass alle Menschen ein natürliches Bedürfnis nach gemeinschaftlichem Handeln haben.

Doch nach kurzer Zeit - als meinen Mitarbeitern die Verantwortung dahinter bewusst wurde - gaben Sie Ihre Geschäftsanteile an mich zurück.

Ein Leben als einfacher Mitarbeiter war Ihnen dann doch lieber.

Nun gut dachte ich, dann eben nicht und gab Gas ohne Ende. Im Grunde war ich sehr erfolgreich, denn aus einem schrottreifen LKW und vier Mitarbeitern entwickelte ich innerhalb von drei Jahren eine kleine Flotte von drei LKW´s und einen Belegschaftsstamm von fünfzehn Menschen.

Doch auch dieses mal hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Allerdings war der Wirt nun kein Mensch, sondern das Geld an und für sich. Da ich zu 100 % fremdfinanziert war, konnte ich das aufgenommene Kapital trotz des augenscheinlich sehr positiven Wachstums nicht bedienen.

Meine Antwort war Selbstausbeutung. Ich arbeitete am Ende ca. 320 Stunden im Monat und konnte das Geldproblem trotzdem nicht lösen. So kam es wie es kommen musste.

Ich brach eines Tages unter der stetig steigenden Arbeitsbelastung einfach zusammen. Zu meinem großen Glück spielte mir das Schicksal in die Hände und durch äußere Umstände war ich plötzlich mein ganzes Unternehmen innerhalb von wenigen Tagen los.

Im ersten Moment - so dachte es in meinem Kopf - wieder eine Katastrophe. Heute sehe ich es als Rettung in letzter Sekunde an.

Denn im Grunde rettete ich dadurch meine Gesundheit und irgendwann erkannte ich die ungeheure Freiheit die mir mein Leben plötzlich bot.

Nach diese negativen Gemeinschaftserfahrungen aus meiner Vergangenheit sah ich ein, dass eine Gemeinschaft nur in einer Gruppe von gleichgesinnten entstehen kann. Nun zu dieser Zeit hatte ich angefangen mich für das Thema “Tauschring” zu interessieren.

Hier schienen sich ja bereits Menschen zusammen gefunden zu haben, denen die Bildung einer Gemeinschaft ein Anliegen ist.

Mich fasziniert ja auch bis heute das befreiende Moment hinter dieser Idee. Auch nach allem was ich bisher gelernt habe und in meinen Artikeln beschrieben habe, glaube ich immer noch, dass die eigentliche Kraft der ursprünglichen “Tausch-Idee” noch nicht freigelegt ist.

Das nehme ich jetzt mal als Arbeitsauftrag an mich selbst:

  • Wie genau muss eine menschliche Gemeinschaft beschaffen sein, dass Sie unseren ursprünglichen Wunsch nach kooperativem Zusammenleben befördert?

  • Welche Regeln und Absprachen braucht es um den solidarischen Gemeinsinn nicht nur zu entwickeln, sondern auch nachhaltig zu sichern?

  • Welchen Namen könnte man einer solchen Gemeinschaft geben, um möglichst von vornherein die richtigen Menschen anzuziehen?

Eigentlich hatte ich gehofft am Ende dieses Beitrages einen schönen Begriff gefunden zu haben. Oder vielleicht sogar einen alte Begriffsidee von mir wieder hervorzukramen und “endlich” als richtig und treffend zu empfinden.

Doch jetzt kann ich mit diesen offenen Fragen sehr gut leben. Könnte diese Offenheit doch andere Menschen anregen sich ebenfalls Gedanken zu diesem Thema zu machen. Ich glaube das würde mich am meisten freuen.

Also her mit euren Gedanken und Worten.

Es kann doch nicht sein, dass ich der einzige bin, der an die latente Existenz einer solidarischen Gemeinschaft in Deutschland glaubt, oder?

Sie existiert da bin ich völlig sicher. Wir leben Sie gerade nur nicht!