Dieser Artikel ist zuerst in meinem Buch Faszination Tauschring erschienen. Die Übersicht dazu in chronologischer Reihenfolge befindet sich hier.


Ich weiß, dieser Satz klingt ungefähr wie der Schlag eines Vorschlaghammers auf eine Metallplatte. Kawumm! Ich selbst erschrecke mich ja auch immer noch, wenn ich diesen Satz denke. Und verdammt - noch mal - für mich hat er einen starken Wirklichkeitsbezug.

Denn die deutsche Sprache ist sehr exakt. Wo im Englischen ein Begriff oft ein breites Wortfeld abdeckt und erst im Zusammenhang mit anderen Worten oder der Situation Ihren eindeutigen Sinn erhält, gibt es im deutschen oft für einzelne Begriffe ein großes Repertoire an Synonymen.

Ich habe erst sehr spät begriffen, das das deutsche Wort Tauschring die bestehenden Initiativen, die sich selbst mit diesem Begriff bezeichnen, nicht wirklich treffend beschreibt. Mein Ursprungstauschring - der Tauschring LOWI in Münster - bezog sich wie viele Andere direkt auf den Begriff “Local Exchange Trading System” des Canadiers Michael Linton.

Dieser Begriff wurde im deutschen aber nicht wörtlich übersetzt. Denn Lokales Wechselseitiges Handels System (abgekürzt LETS) war natürlich viel zu sperrig um diesen Begriff im Alltag zu verwenden. Und nun geschah es. Aus dem LETS, welches sich eindeutig als Lokalgeldsystem verstand, wurde begrifflich ein Tauschring.

Vor allem ein Tauschring der hier in Münster sogar mit dem Slogan “Tauschen ohne Geld” beworben wurde.

Doch wenn ich der Wortbedeutung Tauschring weiter auf den Grund gehe, komme ich zu einer ganz anderen Deutung.

Denn der Begriff “Tauschen” ist im Deutschen sehr eng definiert. Jemand gibt etwas im direkten Tausch gegen etwas Anderes. Es gibt keine nennenswerte zeitliche Verzögerung zwischen diesen beiden Vorgängen. Doch das was in Deutschland tagtäglich geschieht ist wohl eher ein Verrechnen. Denn zwischen der einen “Tauschaktivität” und dem “Rücktausch” können manchmal Monate vergehen.

Man bekommt also nichts im Tausch, sondern eine Gutschrift auf einem Verrechnungskonto. Somit ist es aus meiner Sicht ehrlicher den Begriff “Verrechnungsring” zu benutzen.

Doch auch den zweiten Teil des Begriffs kann ich mittlerweile nicht mehr mit dem verbinden was in Wirklichkeit geschieht.

Denn ein “Ringtausch” bedeutet eben eine Kette von Tauschaktivitäten. Der Erste gibt etwas an dem Zweiten, der Zweite gibt etwas dem Dritten, der Dritte gibt etwas dem Ersten. Das wäre ein Ringtausch.

Doch im Verrechnungsring wird nicht direkt “im Ring” getauscht, sondern über eine Zentrale verrechnet. Jeder “Verrechnungsvorgang” wird an eine Zentrale Stelle gemeldet und dort werden die Vorgänge dokumentiert.

Somit wäre für mich der Begriff “Verrechnungszentrale” der eigentlich Treffendere. Die bisher Tauschringe genannten Gemeinschaften sind aus meiner Sicht somit sehr Zentralistisch organisiert.

Ich höre direkt all die Stimmen, die da sagen: Ist doch Pupsegal was Andreas Artmann zu diesem Thema denkt. Es existieren doch hunderte Tauschringe, die sich eben Tauschringe nennen. Damit scheint es unsinnig auch nur einen weiteren Gedanken dazu zu verschwenden.

Doch wer mir bis hierher gefolgt ist, sollte noch einen kleinen Moment Geduld haben. Denn für mich persönlich erklärt sich eben aus dieser Begriffsverwirrung - oder_ besser Verständnisverwirrung - warum die ursprüngliche Tauschringidee in Deutschland eigentlich seit über 20 Jahren stagniert.

Es gab 1998 ca. 300 - 400 Tauschringe und es gibt heute nicht viel mehr. Ja im Moment erlebe ich geradezu eine mittleres Sterben in der Tauschringlandschaft.

Die großen Webseiten Tauschring-Archiv.de, Tauschring.de, Tauschringe.de und auch Tauschringe.org sind nicht mehr erreichbar.

Das Portal Tauschen-ohne-Geld.de ist abgeschaltet, das letzte Treffen auf Bundesebene fand 2014 statt.

Wenn ich in unsere Nachbarländer schaue, dann gibt es fast überall eine lebendige Szene. Es wird geforscht, Projekte werden entwickelt und durchgeführt.

Doch in Deutschland bleibt es zu diesem Thema weitestgehend dunkel.

Nee, eben nicht. Da sitzt jemand in einem kleinen Dorf (330.000 Einwohner) im Münsterland und forscht … und fragt … und schreibt … und versucht mit einer kleinen Taschenlampe etwas Licht ins Dunkel zu bringen.